The Sisters Brothers

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Zwei Brüder verbrüdern sich mit einem Detektiv (Jake Gyllenhaal, ganz links) und einem Chemiker (Riz Ahmed, ganz rechts) im Wilden Westen 1851: Ein Glanzstück von John C. Reilly (rechts und oben) als Eli Sisters und Joaquin Phoenix (links) als Charlie Sisters. (Ascot Elite)



Verbrüderungen


Die Welt ist schmutzig und die der US seit der Entstehung und Eroberung des Westens explizit – in Geschichte und Kino. Gier und Gewalt regieren – gestern wie heute. Dass der Westen nicht nur Chancen und Freiheit bot, sondern im Kern vor allem wild und zügellos war, haben uns nicht nur die Italo-Western à la Sergio Corbucci oder Sergio Leone vor Augen geführt. Das Gesetz der Gewalt, das Recht des Stärkeren sprich Colts oder Rifle ist gegenwärtig.

Oft war im Kino schon vom Abgesang auf den Western die Rede. Nun hat der französische Filmer Jacques Audiard («Dheepan – Dämonen und Wunder») ein weiteres Kapitel aufgeschlagen – mit dem eigenwilligen Titel «The Sisters Brothers». Die beiden «Helden» heissen komischerweise Sisters (Schwestern) und sind im doppelten Sinn verbrüdert. Zwei Typen ziemlich unterschiedlicher Natur. Der etwas schwerfällige, «gemütliche» Eli Sisters (John C. Reilly) möchte raus aus dem Vagabundenleben, möchte den Schiessprügel wie den Hut an den Nagel hängen und sich friedlich niederlassen. Sein jüngerer Bruder Charlie (Joaquin Phoenix) ist ein Heisssporn, Trunkenbold und Radaubruder. Gemeinsam sind sie Kopfgeldjäger und Killer.

Oregon 1851, die grosse Zeit des Goldrausches im Wilden Westen. Im Auftrag einer mächtigen grauen Eminenz, des Commodore (Rutger Hauer, bestens bekannt aus «Blade Runner»), sollen die beiden Brüder einen Chemiker in die Mangel nehmen, der eine geniale chemische Formel und Methode zum Goldwaschen entwickelt hat. Detektiv John Morris (Jake Gyllenhaal, aktuell auch im Film «Wildlife» präsent) steht ebenfalls im Dienste des Commodore und soll den Chemiker Herman Kermit Warm (Riz Ahmed) ausfindig gemacht. Und so kommen die Jäger zusammen, und es beginnt das Drahtziehen um den Wissenschaftler. Soll man aufeinander schiessen oder einen Bund schliessen?

John, das Subjekt der Begierde, überzeugt Morris, gemeinsame Sache, sprich Gold, zu machen – und schwärmt für eine sozialistische gerechte Zukunft und Gemeinschaft. Die Aussicht auf Gewinn verführt auch die beiden Brüder. Dass solche Brüderschaft auch seine Tücken hat, versteht sich. Es gibt Opfer. Finden die ruhelosen Geister Ruhe? Es kann wohl nur einem Europäer in den Sinn kommen, einen Film mit den Insignien eines Western zu drehen, gleichzeitig familiäre Konflikte, gesellschaftliche Strukturen und utopischen Ziele zu zeichnen. Die Outlaw-Brüder sind aufgrund ihrer Kindheit traumatisiert, der ältere Eli Sisters will absatteln und setteln. Tüftler Warm mit indischen Wurzeln hat eine soziale Vision, an dem auch Morris Reiz findet. Das und mehr erzählt Regisseur Jacques Audiard mit stoischer Gelassenheit, wobei der Alltag dieser Outlaws vom Zähneputzen bis zum «Dinieren» auch Raum findet. Auch das ist bemerkenswert: Die Landschaften sind so authentisch wie in den Italo-Western dazumal. Gedreht wurde in Spanien und Rumänien.

Audiard schmuddeliges Westerndrama mit Szenen zum Schmunzeln geht weit über das Genre der Revolverhelden und Eroberer hinaus. Es basiert auf dem Roman des Kanadiers Patrick de Witt. «The Sisters Brothers» ist auch ein Film über Identitäten, Träume und schäbige Realitäten. Getragen wird dieses grandiose Drama von dem Schauspielerduo Phoenix und Reilly, der das ganze Projekt angeschoben hat.

Das Westernepos wurde in Venedig mit dem Silbernen Löwen (beste Regie) ausgezeichnet. Ein Sehereignis – fernab von Amerika und doch so nah.


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Frankreich, Belgien, Rumänien 2019
121 Minuten

Regie: Jacques Audiard
Drehbuch: Audiard, Thomas Bidegain
Kamera: Venoît Debie

Darsteller: John C. Reilly, Joaquin Phoenix, Riz Ahmed, Jake Gyllenhaal, Rutger Hauer


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