Roter Himmel

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Störfaktor: Die quickfidele Nadja (Paula Beer, oben) wirbelt mehr Staub auf, als dem miesepetrigen Leon (Thomas Schubert, links) lieb ist, während sein Freund Felix (Langston Uibel, Mitte) ganz andere Interessen hat. (Filmcoopi)



Entflammt

 
Sommerzeit an der Ostsee. Zwei Freunde wollen entspannen, vor allem aber Arbeiten zu Ende bringen. Leon (Thomas Schubert) hat mit seinem ersten Buch einen Volltreffer gelandet, nun knorzt er an seinem zweiten Werk. Der fadenscheinige Arbeitstitel «Clubsandwich» verheisst nichts Gutes. Freund Felix (Langston Uibel) nimmts lockerer, er will eine Studienarbeit fertigstellen, aber mit Musse…. Das Ferienhaus nahe der Ostseeküste scheint ideal für die beide, bis der frustrierte Schreiberling Leon sich an Nebengeräuschen nervt – nachts. Denn die beiden haben wider Erwarten eine Mitbewohnerin im Haus, die frisch-fröhliche Nadja (Paula Beer), die sich offensichtlich mit dem Model-Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs) vergnügt. Die Mitbewohnerin jobbt tagsüber als Eisverkäuferin am Strand, ist aber eigentlich Literaturwissenschaftlerin.

Leon hat Ladehemmungen, ist meistens übel gelaunt und frustriert. Er sammelt wenig Sympathiepunkte bei den anderen. Er ist im Stress, auch weil der Redaktionsschluss für sein neues Buch naht und sich sein Verleger Helmut (Matthias Brandt) angekündigt hat. Immerhin überwindet er sich, Nadja, die er heimlich anhimmelt, seine Manuskripte anzuvertrauen – mit Folgen. Ihr Urteil ist freilich vernichtend, was später durch Helmut bestätigt wird. Clinch und Reibereien sind bei diesem Quartett, Devid einberechnet, vorprogrammiert. Die jungen Leute outen sich. Ein letzter Sommer vor dem Ernst des Lebens, wie es Regisseur Petzold einschätzt.
 
Autor und Regisseur Petzold lässt sich Zeit, um die Idylle aufzubauen, um dann Risse und Konflikte sichtbar zu machen. Die Funken, die er streut, breiten sich zu einem Brand aus, drohen Menschen zu verletzten und zu verschlingen, wie der Filmtitel «Rote Himmel» andeutet. Gedreht in Mecklenburg-Vorpommern entfaltet sein tragisch-trauriges, sommerliches Drama mit komischen Momenten eine eigene Dynamik. Menschen verlieren und finden sich, entzweien und vereinen sich. Ein Kammerspiel zwischen Strand und Wald über Läuterung und Liebe. Stimmiges feinfühliges Kino, wobei Thomas Schubert die verunsicherte, frustrierte Spassbremse gibt. Er scheitert an sich selbst und seiner Gefühlslosigkeit. Anders Paula Beer, die für Lebensfreude steht und bereits in Petzolds «Undine» glänzte, dem ersten Teil seiner Trilogie. Das starke Sommerdrama an der Ostsee, zweiter Teil einer Trilogie, soll mit «Odessa» fortgesetzt wird, der u.a. in der Ukraine spielt und vorläufig auf Eis gelegt wurde. Spannend und dramatisch vielschichtig.

«Roter Himmel» wurde in Berlin mit dem Silbernen Bären (Grosser Preis der Jury) ausgezeichnet, aber nicht für den Deutschen Filmpreis Lola nominiert. Das führte zurecht zu heftigen Diskussionen über eine fragwürdige Nominationspraxis.

 
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Deutschland 2023      
103 Minuten

Buch und Regie: Christian Petzold
Kamera: Hans Fromm

Darsteller: Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel, Matthias Brandt, Enno Trebs
 

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