Mule

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Stoisch, stur und unbeeindruckt: Veteran Earl Stone (Clint Eastwood) kutschiert heisse Ware durch Amerika. Ihn interessieren mehr seine Blumen und seine Fahrten als die Familie: Iris (Alison Eastwood) ist sauer auf ihren Vater Earl.  (Warner Bros.)



Stoisch, stur, schlau – ein Veteran auf Achse


Die alte Garde lebt. Stars wie Glenn Close (71, Globe-Gewinnerin und Oscar-Anwärterin mit «The Wife»), Judi Dench (84, Golden Icon am ZFF für «Red Joan») oder Dianne Wiest (70, «The Mule»), Haudegen wie «Rocky» alias Sylvester Stallone (72, «Creed II»), Robert Redford (82, «The Old Man and the Gun») und Clint Eastwood (88) mischen die Leinwand auf. Oldie Eastwood agierte letztmals 2012 vor den Kameras und spielte einen alternden Baseball-Star in «Back in the Game» (Trouble With the Curve). Regie führte er 2018 im Terrordrama «15:17 to Paris», in dem es um drei amerikanische Zugpassagiere ging, die im Schnellzug Thalys einen Attentäter ausser Gefecht setzten.

Nun ist Clint Eastwood gleich in drei Funktionen zurück – als Regisseur, Mitproduzent und Hautdarsteller. Er mimt einen alten Knacker, dem die Zeit davon läuft. Seine grösste Leidenschaft ist die Aufzucht von Blumen (Lilien). Doch seinen Betrieb – nicht mehr ganz zeitgemäss – muss er aufgeben und kutschiert als Drogenkurier durch die amerikanischen Lande. Er ist «The Mule», ein Maultier – stoisch, stur, schlau.

Zwölf Jahre zuvor wurde Earl Stone (Eastwood) noch gefeiert als bester Blumenzüchter in Illinois. Nun ist der Blumenliebhaber, der von Online-Verkauf nichts wissen wollte, pleite. Ein junger Mann kickt ihn an und fragt nach seiner liebsten Tätigkeit. Autofahren. Undurchsichtige Mexikaner-Typen weihen ihn ein: Er muss die Fracht nur nach Texas, El Paso, chauffieren, auf einen Anruf warten und stillschweigend kassieren. Earl fragte nicht nach, tastet die Ware nicht an. Er stellt sich altersbeschränkt. Vielleicht ahnt er, dass er für ein Drogenkartell arbeitete? Doch was schert das den Veteranen, der die Möglichkeit sieht, sich und andere zu sanieren. Das geht 12 Kurierfahrten gut, bis ihm sein Privatleben dazwischenkommt. Seine Frau Mary (Dianne Wiest) liegt im Sterben, und Earl schert aus, hängt seine misstrauischen Begleiter ab und sucht Mary heim.

Sein Leben lang hatte er sich nicht um seine Familie gekümmert, die Hochzeit seiner Tochter Iris (Alison Eastwood, die Tochter des Regisseurs) versäumt, um eine Goldmedaille zu empfangen. Aber nun kratzt er die Kurve, um sich zu versöhnen, Trost zu spenden. Über 300 Kilogramm Kokain im Wert von rund 12 Millionen Dollar bunkern in seinem Pickup-Truck Lincoln Mark LT. Die mexikanische Drogen-Mafia, aber auch der DEA Special Agent Colin Bates (Bradley Cooper) sind ihm auf den Fersen. Das ist dem «Maulesel», unter dem Decknamen «Tata» (Opa) gehandelt, schnurzegal.

Clint Eastwood hat im biblischen Alter von 88 Jahren eine tatsächliche Begebenheit aufgegriffen: Der 90-jährige Weltkriegsveteran Leo Sharp war über zehn Jahre als Drogenkurier tätig, wurde 2011 erwischt und zu milden drei Jahren Haft verurteilt. Doch mit «The Mule» erzählt Eastwood nicht nur eine unglaubliche Kriminalgeschichte, sondern auch die eines Mannes, der fast zu spät zur Einsicht kommt und zur Familie zurückfindet. Der knorrige Earl hatte immer erst die Arbeit, seine Blumen, dann die Kurierfahrten im Sinn, mit der Familie hatte er wenig im Sinn. Gleichwohl, Earl ist ein Menschenfreund, hat etwas Knorriges, Altertümliches, Stures wie ein Maulesel. So entpuppt sich dieses Roadmovie mit krimineller Energie auch als Film über Familienbande und Generationen, über Würde des Alters, seine Fragilität und Einsamkeit. Clint Eastwood, der Hollywood-Methusalem, zieht die Fäden und schuf ein grandioses Alterswerk, das auch ein jüngeres Publikum ansprechen dürfte. Dieser lakonische Film ist jeden Meter Eastwood wert.



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USA 2018  
96 Minuten

Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Nick Schenk
Kamera: Yves Bélanger

Darsteller: Clint Eastwood, Bradley Cooper, Michael Peña, Dianne Wiest, Alison Eastwood


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