Lunana – A Yak in the Classroom

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Bescheidene Verhältnisse in Lunana auf 3400 Meter Höhe: Für die Kinder verkörpert Lehrer Ugyen (Sherab Dorji) eine bessere Zukunft. In der imposanten Hochgebirgskulisse lässt sich Ugyen von der Sängerin Saldon (Kelden Lhamo Gurung) in Lieder der Yak-Hirten einweihen, Bild oben. (Trigon-Film)



In der abgelegensten Schule der Welt


Eine Ausgangssituation, wie sie sich auch bei uns ereignen könnte: Ein junger Lehrer wird von der Behörde in eine ferne Dorfschule beordert. Er leistet widerwillig Folge: Ugyen (Sherab Dorji) wäre lieber nach Australien ausgewandert, doch zuvor muss er ein weiteres Schuljahr ableisten. Er lebt in der Stadt, in Thimphu, der Hauptstadt des Königreichs Bhutan, und muss seinen Dienst im entlegensten Dorf der Welt leisten, in der Hochgebirgsregion Lunana. Das Ziel seiner Mission heisst Lunana, ein Dorf mit 56 Einwohnern auf 3400 Meter Höhe – in Bhutan. Auf dem achttägigen Trek zum Bestimmungsort begleiten ihn zwei Männer aus dem Dorf, Michen (Ugyen Norbu) und Singye (Tshering Dorij) samt drei Packeseln. Eine beschwerliche Wanderung.

Ugyen ist alles andere denn begeistert, obwohl er sehr herzlich von der Dorfbevölkerung mit Vorsteher Asha empfangen wird. In ihn werden grosse Erwartungen gesetzt. Doch der Lehrer ist frustriert: Das soll ein Schulraum sein – ohne Strom und Wandtafel, verstaubt mit groben Holztischen und Fenstern, notdürftig mit Papier verkleidet, um den Wind abzuhalten?

Der junge Mann möchte am liebsten sofort wieder abreisen, doch schon nach wenigen Tagen taut er auf, spürt die Erwartung, die Freude und das Glück der Kinder, vor allem bei der neunjährigen Klassenchefin Pem Zam. Der Städter, der Popsänger werden wollte, entdeckt den urigen, natürlichen Gesang der Yak-Hirten und lässt sich von der jungen Sängerin Saldon (Kelden Lhamo Gurung) unterrichten. Im Dorf tut man alles, um dem «Herrn Lehrer» das Leben und den Unterricht zu erleichtern, stellt ihm sogar ein zotteliges Yak ins Klassenzimmer, damit ihm dieses mächtige Tier Dung zum Feuern liefert. Gleichwohl steht seine Abreise vor dem Winter fest. Wird Ugyen im Frühjahr wiederkommen?

Die Geschichte ist einfach gestrickt und fesselt vielleicht gerade deswegen. Der Lehrer wird wie eine aussergewöhnliche Respektsperson behandelt. (In städtischer Umgebung bei uns heute wohl eher eine Ausnahme) Lehrer Ugyen bedeutet und verkörpert für die Dorfbewohner eine bessere Zukunft. Und er begreift, dass sich Glück wie ein Puzzlespiel aus kleinen Partikeln zusammensetzt, dass es Zusammensein und Zugehörigkeitsgefühl ausmacht, sich in Respekt, Zuneigung und Dankbarkeit äussert. Seine Reise in diese abgeschiedene, unverfälschte und ursprüngliche, scheinbar noch heile Welt (mit Solarenergie) wird zur Schule des Lebens. Ein stiller Beitrag in einer lauten, kontroversen Zeit.

Der halbdokumentarische Film – er wurde an Originalplätzen in Lunana gedreht – besticht durch Hochgebirgskulisse und Darsteller, die zumeist sich selber spielen. Er zeichnet sich durch Gelassenheit und Geduld aus. Auch wenn das Ende – der Lehrer besinnt sich – etwas plötzlich und aufgesetzt wirkt, besticht «Lunana» durch seine Unverfälschtheit, Bedächtigkeit und Klarheit. Der Film von Pawo Choyning Doji, Buch und Regie, wurde von Bhutan erstmals für einen Oscar angemeldet.

Das Königreich Bhutan, sollte man noch ergänzen, ist etwa so gross wie Baden-Württemberg und hat rund 750 000 Einwohner. Das bedeutet 20 Einwohner pro Quadratkilometer. Baden-Württemberg zählt gut 11 Millionen Einwohner und 310 Menschen auf einen Quadratkilometer.


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Bhutan 2019
109 Minuten

Regie und Buch: Pawo Choyning Dorji
Kamera: Jigme Tenzing

Mitwirkende: Sherab Doji, Tshering Dorji, Kelden Lhamo Gurung, Ugyen Norbu Lhendup, Pem Zam


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