Le Bleu du Caftan

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Dreiergemeinschaft: Halim (Saleh Bakri) hat Youssef (Ayoub Messioui) angestellt, um seine kranke Frau Mina (Lubna Azabal) zu entlasten und muss seine Sympathie für den Gehilfen verstecken. (Filmcoopi)

 
 

Liebe über Tabus hinaus


Er ist ein Künstler seines Fachs. Mit Akribie und Hingabe zieht er die Fäden, verziert die Borde, macht ein Kleidungsstück zum Kunstwerk. Halim (Saleh Bakri) ist ein «Maalem», ein Schneider, der Kaftane kreiert. Diese wertvollen Gewänder haben nicht nur in Marokko Bedeutung, sie werden an bestimmten Anlässen getragen und von Generation zu Generation weitergegeben. Das lange Hemd aus Seide oder Samt ist im arabischen Raum, vom Nahen Osten über die Türkei bis Asien beliebt. Halim hat sich dieser Schneiderkunst verschrieben und bietet sie in der Altstadt des marokkanischen Ortes Salé an, unterstützt von seiner Frau Mina (Lubna Azabal). Das Geschäft floriert, doch Mina schwächelt, und so lässt sich der Schneidermeister überreden, einen Gehilfen anzustellen. Der junge Mann Youssef (Ayoub Messioui) ist aufgeweckt, talentiert und hilfreich. Doch Mina beschuldigt ihn des Diebstahls und misstraut ihm, auch weil sie weiss, dass ihr Mann seine Leidenschaft zu Männern, die er heimlich im Hamam ausleben kann, unterdrücken muss. Bahnt sich da etwas an? Der Lehrling wird «aussortiert» und findet dann doch zurück, auch weil die an Brustkrebs erkrankte Mina ein Einsehen hat, den Gehilfen akzeptiert.

Die Marokkanerin Maryam Touzani schrieb Drehbuch und führte Regie. Bereits mit ihrem Beziehungsdrama «Adam» (2019) über eine Witwe in Casablanca, die eine ledige schwangere Frau bei sich aufnimmt, hat internationale Auszeichnungen erhalten. Dieselbe Hauptdarstellerin Lubna Azabal verkörpert nun Mina, quasi das dritte Rad am Wagen der Schneiderei. Sie akzeptiert die homosexuellen Neigungen ihres Mannes, stärkt ihn am Ende: «Halim, hab keine Angst zu lieben.»
 
Regisseurin Maryam Touzani schuf ein inniges Melodram, das sich Zeit nimmt. Es schildert unaufdringlich eine doppelte Liebesgeschichte, die sich nicht von einem Tabu (Homosexualität im arabischen Raum) abschrecken liess. Liebe bedeutet hier nicht Besitz oder sexuelle Befriedigung, sondern gelebte Gemeinschaft, Zärtlichkeit und Zuneigung – auch zu dritt. Es ist ein wunderbarer Film der Andeutungen, des Unausgesprochenen und Unterdrückten, der Blicke und Gesten. «Die Handwerker, die Kaftane in monatelanger Arbeit schaffen, hinterlassen darin Spuren ihrer Seele. So hat mein Kaftan einen Platz im Film erhalten», offenbart Maryam Touzani. Und Seele hat ihr meisterhaft stilles Drama allemal.
 
 
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Marokko/Frankreich  2022      
121 Minuten

Buch und Regie: Maryam Touzani
Kamera: Virginie Surdej

Darsteller: Lubna Azabal, Saleh Bakri, Ayoub Messioui
 

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