Kursk

2019_07_02_Kursk_006jpg

U-Boot K-141 im Stich gelassen: Der kommandierende Offizier Mikhail Averin (Matthias Schoenaerts, unten rechts) bespricht sich mit dem Kumpan Pavel Sonin (Matthias Schweighöfer, links). Tanya (Léa Seydoux, oben), die Frau des kommandierenden Offiziers Averin klagt die militärische Führung an. (Praesens-Film)



Fahrlässiger Untergang


Nach einer wahren Begebenheit, diesen Satz sieht man immer häufiger im Kino, sei es jüngst im Fall der britischen Spionin «Red Joan» (mit Judi Dench) oder in der mazedonischen Episode «God Exists, Her Name is Petrunya». Und auch hier im Fall eines Untergangs.

Im Jahr 2000 nahm ein russisches Atom-U-Boot Kurs auf die Berentsee – zum Manöver. Die K-141-Kursk mit 118 Mann Besatzung war mit Marschflugkörpern bestückt und sank, infolge mehrere Explosionen, ausgelöst durch technischen Defekt. Das U-Boot, Baujahr 1990/91, war ziemlich marode, worauf Besatzungsmitglieder vor der Fahrt hingewiesen hatten. Vergeblich. Es ging unter. Die russische Militärführung behauptete, die Kursk sei durch ein US-Boot gerammt worden. Man hätte alles, also auch die Rettung der Überlebenden, im Griff. 23 U-Bootfahrer hatten sich in eine unbeschädigte Sektion retten können, aber…

Ursprünglich wollte Luc Besson («Lucy», «Le grand bleu», demnächst «Anna») den Stoff verfilmen, trat dann aber zurück. Regisseur Thomas Vinterberg und Drehbuchautor Robert Rodat stützten sich auf das Buch «A Time to Die» von Robert Moore. Sie entwickelten das U-Boot-Drama auf drei Ebenen. Einer familiär-privaten, einer im Bοot und einer militärisch-politischen, auf See bzw. Land.

Anfangs wird eine Hochzeit gefeiert, die Seeleute verabschieden sich von ihrer Familien und Freundinnen. Man lernt die Männer, die sich in diesen «stählernen Sarg» begeben, und ihr privates Umfeld rudimentär kennen. Allen voran Kapitänleutnant Mikhail Averin (Matthias Schoenaerts), er lässt seine Frau Tanya (Léa Seydoux) und seinen Sohn Misha zurück, die um ihn bangen. Zu den Besatzungsmitgliedern zählen u.a. Kapitän Shirokov (Martin Brambach), Sasha (Kristof Coenen), Anton Markov (August Diehl) oder Pavel Sonin (Matthias Schweighöfer). Ein Neuling an Bord ist Leo (Joel Basman), der letztlich eine verhängnisvolle Rolle spielt.

Explosionen haben die Kurks lahm gesetzt und einen Grossteil des Bootes zerstört. Das U-Boot sitzt auf dem Meeresgrund fest. Im hinteren Teil konnten sich 23 Männer retten, doch die Luft wird knapp. Die russische Admiralität, allen voran Vladimir Petrenko (Max von Sydow), verspricht vollmundig Rettung, doch die Flotte verfügt über keine speziellen Rettungsboote, nur über Tauchkapseln. Führungskräfte der Nato bieten Rettung an. Kommandant David Russel (Colin Firth) der britischen Navy macht sich für einen Einsatz stark, nimmt Kontakt zu Admiral Viacheslav Gruzinsky (Peter Simonischek) auf. Doch dem sind die Hände gebunden. Die russische Führung lehnt fremde Hilfe ab – aus Prestigegründen. Als nichts mehr geht, lenkt die russische Führung ein. Nach elendig langen drei Tagen Wartezeit gelangen norwegische Taucher bis zum U-Boot am Meeresgrund vor, sie konnten die Rettungsluke öffnen. Zu spät.
Angehörige und auch Militärs machen die oberste russische Führung für den Tod der 23 Seeleute verantwortlich, die eine Rettungschance gehabt hätten… In einer ergreifenden Abdankungsszene verweigern Angehörige, allen voran Averins Sohn Misha, dem greisen Admiral Petrenko den Handschlag. Die Seeleute hinterliessen 71 Kinder.

Das sagt alles über Haltung und Verantwortung der russischen Führung. Interessanterweise verzichtet Regisseur Thomas Vinterberg darauf, Präsident Putin anzuklagen, der im Jahr 2000 bereits Präsident der Russischen Föderation war, also oberster Verantwortlicher. Der Däne Vinterberg («Die Jagd»), einer der Mitbegründer der Dogma-Bewegung, konzentriert sich wie erwähnt auf drei Handlungsebenen, auf die Geschehnisse unter Wasser (Besatzung) und über Wasser (militärische Führung), sowie die an Land (die Angehörigen). Er legt dabei das Gewicht auf das Zwischenmenschliche, das Emotionale, wobei er ständig und zuweilen hektisch, die Ebenen wechselt, einmal die Dramatik forciert, dann wieder verlangsamt. Nicht immer zum Vorteil.

Sein Katastrophenfilm ist stark in den U-Boot-Szenen, bringt die Verlassenheit, Verzweiflung und Tapferkeit der Männer unter Wasser zum Ausdruck. Insgesamt eine starke belgisch-französisch-norwegische Produktion. Der Zürcher Joel Basman («Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse») zeigt in einer markanten Nebenrolle eine überzeugende Leistung.


5_Star_Lionjpg

Belgien, Frankreich, Norwegen 2018      

117 Minuten


Regie: Thomas Vinterberg
Buch: Robert Rodat
Kamera: Anthony Dod Mantle

Darsteller: Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Colin Firth, Peter Simonischek, August Diehl, Max von Sydow, Joel Basman


Zurück