Killers of the Flower Moon

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Verführt: Heimkehrer Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) lässt sich von seinem Onkel William Hale (Robert De Niro) in dunkle Machenschaften einspannen. (Pathé)



Weisse Gier nach Geld und Öl


Der Osage-Stamm in Oklahoma wurde über Nacht steinreich. Man hatte in den frühen Zwanzigerjahren auf ihrem Land Ölvorkommen gefunden. Dieser Reichtum – der Indianerstamm soll zu dieser Zeit das reichste Volk der Welt gewesen sein – rief weisse Neider und zwielichtige Geschäftsleute auf den Plan. Die versuchten mit Tricks und Gewalt Kapital abzuschöpfen, sprich selbst reiche Beute zu machen. In den Zwanzigerjahren gab es serienweise Morde an Männern und Frauen des Osage-Volkes. In seinem Buch «Killers of the Flower Moon» schildert David Grann dieses schmutzige Kapitel amerikanischer Geschichte. Martin Scorsese greift darauf zurück, doch im Gegensatz zum Buch, das die Arbeit der FBI-Agenten in den Mittelpunkt rückt (Untertitel: «The Osage Murders and the Birth of the FBI»), zeigt Scorsese das Tun und Trachten der Täter und die Hilflosigkeit der Opfer.

Kriegsheimkehrer Ernest Burkhart (Leonard DiCaprio) sieht in seinem smarten Onkel William Hale (Robert De Niro), erfolgreicher Viehzüchter und angesehener Geschäftsmann, einen Fürsorger und «Paten», der ihn in eine rosige Zukunft führen könnte. Der joviale Rancher gibt sich als loyaler Osage-Freund und Wohltäter. Neffe Ernest macht mit bei den durchtriebenen Plänen des «King der Osage-Hills», heiratet auf Betreiben seines Onkels die indigene Mollie (Lily Gladstone), um sie zu beerben. Denn das ist das Ziel des weissen Drahtziehers Hale: Osage-Frauen ehelichen und beseitigen, um an den Nachlass zu kommen.

Ernst, naiv und gutgläubig, lässt sich auf die perfiden Pläne ein, obwohl er seine Frau liebt. Er träufelt gar Gift ins Insulin der Diabetikerin Mollie, ist Mitwisser und Mittäter bei der Ermordung von Mollies Mutter und Schwestern – und mimt das Unschuldslamm. Erst eine Osage-Delegation in Washington, weckt die Justiz, die bis dato ihre Augen verschlossen hatte vor der Mordserie an der Osage-Nation in Oklahoma. Texas Ranger Tom White (Jesse Plemons) rückt mit einem Ermittlungstrupp an, um die Vorfälle aufzuklären, letztlich Hale und seinesgleichen zu überführen. Das war quasi die Geburtsstunde des FBI, tönt der Film an.

Dieser letzte Akt – Entlarvung und Prozess – wirkt in Scorseses Drama wie ein notwendiges Anhängsel. Dem Regisseur geht es vor allem um das Schicksal der Osage und den verbrecherischen «Beutezug» weisser Herren, verkörpert durch King Hale und seinen manipulierten Neffen. Robert De Niro verkörpert diesen menschenverachtenden und skrupellosen Drahtzieher, der sich persönlich nie die Hände schmutzig macht, mit teuflischer Professionalität und Freude. Nie war De Niro bösartiger und jovial-scheinheiliger im Kino als hier. DiCaprio steht ihm in nichts nach als dümmlicher Mitläufer und betrügerischer Liebender.

Der Titel «Killers of the Flower Moon» bezieht sich auf eine blühende Frühlingswiese (Flower Moon) im Osage-Land. Das Epos ist die sechste Zusammenarbeit zwischen Scorsese und DiCaprio, der sich schon 2016 die Filmrechte am Buch von David Grann gesichert hatte und ursprünglich als Ermittler Tom White vorgesehen war.

Der Film –Western, Sozialdrama und Prozessfilm – ist in die Reihe der Klassiker «Gone with the Wind/Vom Winde verweht» oder «Once Upon a Time in the West» einzureihen. Das 200-Millionen-Dollar-Monument zeichnet ein dunkles Amerika – das Bild latenten Rassismus, hemmungsloser Geldgier, patriarchalischen Verhaltens und weisser Machenschaften. Der Film wird so zum Zeugnis des US-Kolonialismus und ist ein starkes Historiendrama mit aktuellen Bezügen.


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USA 2023
206 Minuten

Regie: Martin Scorsese
Buch: Scorsese, Eric Roth

Ensemble: Leonardo DiCaprio, Robert De Niro, Lily Gladstone, Jesse Plemons, Brendan Fraser, John Lithgow


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