Ennio Morricone – Der Maestro

2023_01_05_Ennio Morricone  Der Maestro_005jpg

Der Meister dirigiert: Ennio Morricone hört im Arbeitszimmer seine Musik auch ohne Instrumente und Orchester. (Filmcoopi)



Klangvolles Kino


Wer sie hört, kriegt sie nicht mehr aus dem Kopf, die Musik mit Mundharmonika, Koyotenruf oder anderen klagenden Klängen. Ein langer Ton, dann die Wucht eines Orchesters. Diese musikalische Sequenzen, oft auf eine Person zugeschnitten, aus «Spiel mir das Lied vom Tod (C’era una volta il West)» oder «Zwei glorreiche Halunken (Il buono, il brutto, il cattivo)» setzten sich fest. Man vergisst sie nicht mehr. Morricones «Musik schmückt die Bilder aus», kommentiert Regisseur Quentin Tarantino. Dabei hat alles anders begonnen. Der Vater hatte den jungen Ennio Morricone dazu «verdonnert», Trompete zu spielen. Als diplomierter Trompeter liess sich der Filius am Konservatorium Santa Cecilia in Rom zum Komponisten ausbilden, unter Leitung von Goffredo Petrassi, und schloss 1954 mit einem weiteren Diplom ab. 1961 komponierte er seine erste Filmmusik («Il Federale»). «1970 wollte ich damit aufhören», erzählt Morricone. Doch es kam bekanntlich anders. 1964 begann die Zusammenarbeit mit Sergio Leone und seiner Dollar-Trilogie mit Clint Eastwood. Diese Italo-Western machten beide berühmt.

Giuseppe Tornatores Dokumentation ist eine Reise durch die Filmgeschichte, die Morricone stilbildend als Komponist geprägt hat, nicht nur mit den bekannten Italo-Kultwestern, sondern auch mit Werken wie «Der Clan der Sizilianer» (1969), «Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger» (1970), «Sacco und Vanzetti» (1971), «1900 (Novecento, 1976)», «Once Upon a Time in America» (1984), «Mission» (1986), «Cinema Paradiso» (1988), «Django Unchained» (2012) oder «The Hateful Eight» (2015).

Morricone ist in dieser voluminösen Dokumentation Hauptdarsteller, Begleiter und Kommentator. Er erzählt von seiner Arbeit, von der Findung gewisser Töne und Geräusche (Koyoten!) oder seinen Empfindungen. Deutlich wird dabei, wie sehr er darum gekämpft hat, als Künstler und Komponist anerkannt zu werden und nicht in die Schublade minderwertiger Musik und Unterhaltung abgeschoben zu werden. Als er beispielsweise 1987 für einen Oscar nominiert war, für die Filmmusik zu «The Mission», aber leer ausging, verliess er verärgert die Oscar-Gala. Herbie Hancock gewann für seine Musik zu «Round Midnight (Um Mitternacht)». Nach etlichen Nominationen erhielt er dann 2007 einen Oscar fürs Lebenswerk und 2016 einen «normalen» für «The Hateful Eight».

Es schmerzte ihn auch, dass sein Lehrer und Förderer Petrassi lange den Wert seiner Arbeit nicht anerkannte. Es dauerte Jahrzehnte, bis Morricone sich mit Petrassi versöhnte. Morricone gilt heute als wichtiger stilbildender Komponist, der die Filmmusik revolutionierte und Filme zum Kult machte. Morricones Musik wird längst konzertant aufgeführt. Er selbst hat bis zu seinem Tod 2020 Konzerte dirigiert.
Die Anerkennung ist weltweit. Kurze Statement von Clint Eastwood, Quentin Tarantino, Hans Zimmer, Bruce Springsteen oder Joan Baez legen davon Zeugnis ab. Eindrückliche Aufnahmen von Konzerten etwa mit Joan Baez, die mit dem Song «Here’s to You, Nicola and Bart» aus dem Politfilm «Sacco and Vanzetti» einen Kulthit landete, gehen unter die Haut.

Die Stärke des Films beruht auf der Präsenz des «Maestro», der Einblicke gibt in seine Kompositionsarbeit, seine Gefühlswelt, sein Selbstverständnis. Natürlich ist der Film mit Filmausschnitten gespickt, nur ganze Musiksequenzen sind spärlich hören. Man hätte man sich längere Scores gewünscht. Immerhin, Tornatores «Vermächtnis» und filmische Huldigung machen Lust, den einen oder anderen Film wiederzusehen, den Morricone musikalisch-magisch geprägt hat.



5_Star_Lionjpg

Italien 2020
150 Minuten

Buch und Regie: Giuseppe Tornatore
Kamera: Giancarlo Leggeri, Fabio Zamarion

Mitwirkende: Clint Eastwood, Quentin Tarantino, Hans Zimmer, Oliver Stone, Joan Baez, Bruce Springsteen


Zurück