Ein ganzes Leben

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Glück auf Zeit: Andreas Egger (Stefan Gorski) heiratet seine grosse Liebe, Marie (Julia Franz Richter). (Praesens-Film)



Vom Leben gebeutelt, von Bergen geprägt


Als Waisenkind wird Knabe Andreas (Ivan Gustafik) um 1900 auf einen Berghof verfrachtet. Unter der Fuchtel seines gottesfürchtigen, aber herrischen Onkels fristet er als Verdingbub ein kümmerliches Dasein, von der Familie quasi ausgeschlossen. Der Bauer bestraft ihn nach Gutdünken mit Prügel. Das geht soweit, dass er dem Jungen ein Bein bricht. Allein die ältere Ahnl (Marianne Sägebrecht) hat mit ihm Mitleid, schenkt ihm ein bisschen Zuneigung. Nach ihrem Tod verlässt der hinkende Andreas Hof und Bauer, heuert als Hilfsarbeiter bei einem Unternehmen an, das die erste Bergbahn baut.

Sein Glück scheint perfekt, als er die Serviertochter Marie (Julia Franz Richter) freit und heiratet. Er pachtet vom Dorfwirt (Robert Stadlobe) eine Holzhütte hoch auf dem Berg. Andreas (Stefan Gorski) ist voller Energie, will ein Zuhause aufbauen, liebt die Berge und Marie. Doch eine Lawine begräbt sein Glück. Er zieht in den Zweiten Weltkrieg, in den Kaukasus, gerät in russische Gefangenschaft und kehrt Anfang der Fünfzigerjahre ins Bergdorf zurück. Noch einmal scheint ihm die Glücksgöttin hold, er lernt Anna (Maria Hofstätter) kennen, doch die Hoffnung löst sich auf. Andreas wird zum Einsiedler. Noch einmal begibt er sich auf eine Busreise und blickt auf sein Leben, auf rund achtzig Jahre zurück – nicht verbittert, sondern befriedigt und mit sich im Reinen.

Der deutsche Regisseur Hans Steinbichler, 1966 in Solothurn geboren, hält sich eng an die Buchvorlage, verdichtet und zeigt einen Mann, vom Schicksal gebeutelt, der aber den Halt nicht verliert, mit stoischer Gelassenheit duldet und in der Bergwelt seinen Lebenssinn findet. Andreas ist Sohn dieser wuchtigen, schönen und gnadenlosen Berge, Bewunderer, Bewahrer und Opfer zugleich.

Über rund achtzig Jahren spannt sich dieser Lebensbogen. Ein Heimatfilm im besten Sinn, der in aller Schönheit die Natur, auch Gefahr und Gefährdung zeigt, die ihr innewohnt. Nie kommt auch nur ein Hauch von Kitsch oder Romantisierung auf, auch weil die brutale Realität Wunden schlägt. Die Besetzung mit Ivan Gustafik als Knabe Andreas, Stefan Gorski als junger Mann (18 bis 47 Jahre) und August Zirner als Senior (58 bis 80 Jahre) geben dem Drama nicht nur ein Gesicht, sondern auch Leben. Bewegendes, überwältigendes Kino jenseits vom Mainstream.


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Deutschland/Österreich 2023
115 Minuten

Regie: Hans Steinbichler
Buch: Ulrich Limmer
Kamera: Armin Franzen

Besetzung: Stefan Gorski, August Zirner, Julia Franz Richter, Andreas Lust, Robert Stadlober Marianne Sägebrecht


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