Die Sirene

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Initiative: Der 14jährige Omer organisiert ein Fluchtschiff. (First Hand Films)



Sirene der Hoffnung


Das Wort Sirene kann vieles bedeuten: Sirene ist ein Fabelwesen aus der griechischen Mythologie, das mit betörendem Gesang Seeleute (wie Odysseus) anlockt. Landläufig versteht man unter Sirene eine akustische Einrichtung, die zur Warnung eingesetzt wird. Auf «Sirene» wurden viele Schiffe und auch U-Boote der französischen Marine getauft. In unserm Fall geht es um «Die Sirene von Abadan», ein Fluchtschiff.

Schauplatz ist die Hafenstadt Abadan, einst Ölmetropole Irans. Im September 1980 greifen irakische Truppen auf Befehl Saddam Husseins den Iran an, unter anderem, um sich die Vorherrschaft am Persischen Golf zu sichern. Ein Ziel war die Eroberung Abadans, doch die Belagerung scheiterte letztlich am erbitterten Widerstand iranischer Kämpfer. Die irakischen Streitkräfte zogen sich im September 1981 zurück. Der Erste Golfkrieg endete aber erst 1988 und kostete 1,5 Millionen Menschenleben.

Der aufgeweckte 14-jährige Omer spielt Fussball, als er als Goalie durch einen Luftangriff und Bomben abgelenkt wird und ein Tor kassiert. Schlimmer ist jedoch, was in seiner Heimatstadt Abadan passiert. Irakische Truppen greifen die Ölmetropole am Persischen Golf an. Sein älterer Bruder Abed schliesst sich den iranischen Verteidigern an – und fällt. Omers Mutter flieht mit dem Rest der Familie, nur Grossvater und Omer harren aus. Als die Stadt schon in Trümmern liegt und die Eroberung droht, sucht der Jüngling Fluchtmöglichkeiten. Er macht ein Schiff ausfindig, lässt es von einem griechischen Ingenieur wieder flottmachen, der für seine Arbeit eine Flasche Arak fordert. Unterstützt wird er auch von der Diva Elâhéh, einem früheren Star, und deren Tochter Pari, in die sich Omer verliebt hat. Tatsächlich, Omers Arche «Sirene» sticht tatsächlich in See …

Sepideh Farsis markanter Animationsfilm bezieht sich vordergründig auf den irakisch-iranischen Krieg (1980–88), thematisiert aber grundsätzlich und eindringlich Krieg und Flucht, Zerstörung und Hoffnung. Die Bilder, Perspektiven, Gesichter fahren ein, mindestens so stark und nachhaltig wie bei manchen Antikriegsfilmen. Die europäische Koproduktion «Die Sirene» ist aktueller denn je angesichts verschiedener Kriegsschauplätze. Die iranische Dokumentar- und Spielfilmregisseurin Farsi findet einen eigenen packenden Stil, weit entfernt von Disney-Idylle, Kitsch und Fantasy. Die Musik (Erik Truffaz) lullt nicht ein, beschönigt nicht, sondern setzt Akzente, steigert die Spannung.

Farsi, vor 40 Jahren aus dem Iran geflohen und seither in Frankreich ansässig, vermeidet es, ihre Heimat Iran als ideologische Diktatur darzustellen, auch der Aggressor Irak bleibt fast anonym. Ein Kommandant, der eine Artillerieeinheit befehligt, die das Fluchtschiff beschiesst, ist froh, dass die Geschosse die Flüchtlinge nicht treffen. Farsi erzählt die Geschichte eines Krieges, einer Flucht aus der Sicht eines jungen Menschen und der Perspektive der Opfer. Vereinzelt fliessen Bilder ein, die an ein Leben vor der Revolution, vor dem irakischen Überfall erinnern. Es geht hier nicht um Knechtung, Unterdrückung, religiöse Zwängerei, sondern um Widerstand und Hoffnung.


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Frankreich/Deutschland/Belgien/Luxemburg 2023  
100 Minuten

Regie: Sepideh Farsi
Buch: Djavad Djavahery

Musik: Erik Truffaz


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