Der Trafikant

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Franz (Simon Morzé) findet Gefallen an dem leichten Mädchen Anezka (Emma Drogunova) und freundet sich mit Sigmund Freud (Bruno Ganz, Bild unten) an. (Impuls)



Farbe bekennen


Ende der Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts. Der 17-jährige Franz (Simon Morzé) soll auf Geheiss seiner Mutter, das Provinznest verlassen und in Wien «gross» werden. Sie vertraut ihren Sohn, den unschuldig beflissenen Jüngling, ihrem Ex-Liebhaber an, Otto Trsnjek (Johannes Krisch), der einen Zigarren- und Zeitschriften-Kiosk betreibt (auf Österreichisch eben Travik). Eine Drehscheibe für Genüsse sozusagen (es gibt auch erotische Magazine). Einer der Stammkunden ist ein gewisser Sigmund Freud (Bruno Ganz). Franz hält Augen und Ohren offen, sucht die Nähe des jüdischen Professors, und der gibt ihm tatsächlich ein paar Lebenstipps ohne Couchsitzung, beispielsweise über die Freude an den Freuden des Lebens, sprich Frauen. Franz, das schlaksige Unschuldslamm, verguckt sich in die fesche Böhmerin Anezka (Emma Drogunova). Die findet ihn ganz süss, hat aber andere Amouren und erfolgsversprechenden Beziehungen im Sinn.
Dann ziehen über die Wiener Gassen-Idylle dunkle, braune Wolken auf. Das nationalsozialistische Deutschland annektiert Österreich 1938. Der jüdische Kaufmann, der im Ersten Weltkrieg ein Bein verlor – fürs Vaterland, versteht sich – gerät ins Fadenkreuz der Nazi-Schergen. Franz muss fassungslos zusehen und bekennt Farbe.

Nikolaus Leytner verfilmte den Roman (2012) von Robert Seethaler, etwas betulich, aber durchaus stimmig, auch wenn manche Kulissen (Laden, Metzgerei) etwas theatralisch wirken. Franz' Liebesbemühungen lockern die bedrohliche Stimmung – die Zeichen der Menschverfolgung und Faschismus – phasenweise auf. Doch insgesamt wird ihnen zuviel Raum gewährt. Bruno Ganz als gealterter Freud auf dem «verordneten» Sprung nach England scheint irgendwie aus der Zeit gefallen, einfach zeitlos.

Ein starkes trauriges Bild bleibt haften: Franz hisst die (einbeinige) Hose seines Trafikanten-Meisters. Ein Drama, mit viel Liebe zum Detail ausgestattet, beschwört eine verheerende Zeit herauf, mahnt und stimmt nachdenklich.


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Österreich, Deutschland 2018  
113 Minuten

Regie: Nikolaus Leytner
Drehbuch: Leytner, Klaus Richter
Kamera: Hermann Dunzendorfer

Darsteller: Simon Morzé, Bruno Ganz, Emma Drogunova, Johannes Krisch


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