A Chiara

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Eine Kleinstadt in Kalabrien: Chiara (Swamy Rotolo) wächst behütet im Familienclan auf, bis eine Autobombe «die heile Welt» Leben in Frage stellt. Warum schweigt die Familie, als der Patron verschwindet? (Frenetic Films)



Der Mafia entziehen


Eine Autobombe und nichts ist wie vorher. Schauplatz Kalabrien, ein Flecken namens Gioia Tauro. Giulia (Grecia Rotolo) feiert ihren 18. Geburtstag im Kreise ihrer Grossfamilie. Die 16jährige Schwester Chiara (Swamy Rotolo) wird in der nachfolgenden Nacht Zeugin, wie ein Auto vor dem Haus explodiert, der Wagen ihres Vaters Claudio (Claudio Rotolo). Und der verschwindet danach Hals über Kopf spurlos. Die aufgeweckte Chiara fragt sich, was dahinter steckt. Doch die Familie mauert, hält sie hin, schweigt. Das Mädchen recherchiert auf eigene Faust. Bald einmal wird klar, dass nicht alles so heil ist wie es scheint. Der Vater Claudio musste wohl untertauchen und versteckt sich irgendwo auf dem Land. Chiara bohrt weiter. Ihr Vater ist Teil der Ndrangheta, der Mafia Kalabriens, einer Organisation mit patriarchalischer Struktur, durchs Blutbande verbunden. Ihre Familie weist Schuld von sich: «Wir sind nicht die Mafia. Wir wollen nur überleben».

Ein spezieller Aspekt: Chiara soll aus dem Verkehr gezogen werden, der Familien entzogen und in eine «saubere» Pflegefamilie eingegliedert werden. So ist der Plan des Staates und der Sozialdienste. Jonas Carpugnano (Buch und Regie), zwischen Rom und New York aufgewachsen, konzentriert das Filmschaffen auf seine Heimat gerichtet, auf einen Flecken namens Gioia Tauro. Dabei taucht er tief in dunkle Schichten der italienischen Gesellschaft ein. Es begann mit einer Geschichte über eine afrikanische Gemeinschaft («Mediterranea», 2015) und setzte sich fort mit den Roma («A Ciambra, 2017). Sein Triptychon wird nun beschlossen mit dem Spielfilm «A Chiara» über die Malavita, über Menschen im Schatten der Mafia. Der Ort Gioa Tauro, in dem alle drei Filme gedreht wurden, ist «zweifellos der Mikrokosmos eines wirtschaftlichen und sozialen Trends», so der Filmer, «den man gemeinhin als Globalisierung bezeichnet. Ich glaube, dass der einzige Weg, das Universelle zu erreichen, darin besteht, präzise, intim und lokal zu sein.»

Regisseur Carpignano hatte Swamy Rotolo bei vorgängigen Dreharbeiten kennengelernt und ihre ganze Familie im neusten Film integriert. «Die Schauspieler haben das Drehbuch nie gelesen», klärte er auf. «Niemand kannte die Geschichte in ihren Einzelheiten.» Der Spielfilm wirkt sehr authentisch, wahrhaftig, packend – über familiäre Verstrickungen, die Balance zwischen Recht und Unrecht, auch über Selbstfindung aus der Sicht eines Mädchens.


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Italien 2021  
121 Minuten

Buch und Regie: Jonas Carpignano
Kamera: Tim Curtin

Mitwirkende: Swamy Rotolo, Claudio Rotolo, Grecia Rotolo, Carmela Fumo, Giorgia Rotolo, Antonio Rotolo, Vincenzo Rotolo


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