Stella. Ein Leben

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Blond und begabt: Stella Goldschlag (Paula Beer), Jazz-Sängerin mit Ambitionen, wird zur Gehilfin der Nazis und verrät ihre Landsleute. (DCM Film)




Die blonde «Greiferin» kennt keine Skrupel


Sie ist attraktiv, verführerisch, begabt – und Jüdin. Stella Goldschlag geniesst Berlin, das auch noch Anfang des Zweiten Weltkriegs pulsiert und sich vergnügt. Sie möchte als Jazzsängerin in Amerika Karriere machen, doch die Aussichten sind düster. Die Nazis setzen zur grossen Juden-Hatz an. Stella, blond wie ein «deutsches Weib», taucht unter. Sie arbeitet mit dem Passfälscher Rolf (Jannis Niewöhner) zusammen und fliegt auf. Die Gestapo setzt sie unter Druck, will ihr ans Leben. So willigt sie ein, ihre jüdischen Landsleute zu denunzieren, auch um ihre Eltern vor den KZ-Lagern zu retten. Ein Trugschluss. Die «Greiferin» überlebt. Ihr wird 1947 und 1957 der Prozess gemacht.

Kilian Riedhofs Spielfilm «Stella» basiert auf Gerichtsprotokollen, heisst es, und verspricht «grösstmögliche historische Genauigkeit», so der Regisseur. Sein Film soll «ausschnitthaft, subjektiv und unmittelbar sein und ein Zeichen setzen.» Es gibt drastische Szenen und beschönigende. Das Kriegsgeschehen bleibt mehr oder weniger aussen vor, dafür werden KZ-Bilder eingestreut. Wie kommt man einem Menschen bei, der vom Opfer zum Täter, zum Monster wird? Riedhof und seine Autoren bemühen sich sichtlich, neutral zu sein. Das führt dazu, dass die Titelheldin mehr Sympathie einheimst als sie verdient. Das «Monster» kommt gnädig davon und bleibt unbelehrbar – zumindest im Film. Am Ende begeht Stella Suizid, aber das ist kein Filmthema mehr.

Eine historische Figur sachlich, ehrlich und authentisch ins Bild und Licht zu rücken, gelingt selten. Da reiht sich ein Beispiel ans andere – von Napoleon bis Ingeborg Bachmann. Positive Ausnahmen wie Oppenheimer oder Leonard Bernstein («Maestro») bestätigen nur die Regel. Stella Goldschlag ist eine zwiespältige Person, vom Karrieretraum und Überlebenswillen getrieben. Es ist das Verdienst der Schauspielerin Paula Beer, dass dieser weibliche «Judas» durchaus menschlich erscheint. Das Drama führt durchaus gekonnt eine Frau vor, deren teuflisches Handeln nachvollziehbar scheint, aber verstört und aufrüttelt. So oder so bewirkt der Film trotz guter Absicht ein tiefes Unbehagen.


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Deutschland 2023
113 Minuten

Regie: Kilian Riedhof
Buch: Riedhof, Marc Blöbaum, Jan Baren

Darsteller: Paula Beer, Jannis Niewöhner, Katja Riemann, Lukas Miko, Joel Basman


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