Radical

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Unkonventionell: Sergio Juárez Correa (Eugenio Derbez) ist kein üblicher Lehrmeister, sondern Animator seiner Schüler. (Ascot-Elite)



Fördern statt fordern


Die Schule ist auch nicht das, was sie mal war, sagt man schnell. Klar, denn die gesellschaftlichen Bedürfnisse und Entwicklungen ändern sich. Die einen heutzutage plädieren dafür, Zensuren und «unnütze Fächer» aufzuheben, andere wünschen sich eine Erziehungsanstalt, welche Aufgaben der Eltern übernimmt und verantwortet. In Mexiko machte 2011 ein Fall auf sich aufmerksam, der so ungewöhnlich wie einmalig ist. Eine der schlechtesten Klassen des Landes verbesserte sich innerhalb eines Jahres sensationell. Eine Schülerin wurde gar Landesbeste im Mathematiktest. Der Lehrer Sergio Juárez Correa (den gibt es tatsächlich), ein Neuling an der Grundschule in einem mexikanischen Kaff namens Matamoros, nahe der Grenze zu den USA, hatte eine sechste Klasse übernommen. Die Kinder sind chaotisch, disziplinlos, perspektivlos. Das Abbild einer verrohten, «schmutzigen» Gesellschaft.

Sergio, gespielt vom Latin-Star Eugenio Derbez wirft alle bisherigen Strukturen, Regeln, Methoden und Massnahmen über Bord. Er nimmt die Kinder ernst, begegnet ihnen auf Augenhöhe und bietet ihnen die Möglichkeit der Entfaltung, des Eingebens und des guten Willens. Er fordert nicht, sondern fördert, bietet an, animiert und zeigt an eigenem Leibe, wie man Lehren beispielsweise über Verdrängung der Masse und Tragfähigkeit im Wasser vermitteln kann.
Sergio Juárez Correa hat erkannt, welches Potenzial und Talent in dem Mädchen Lupe (Mia Fernanda Solis), die an Philosophie interessiert ist, oder in Paloma (Jennifer Trejo) steckt, Tochter eines verarmten Lumpensammlers. Sie hat ein Teleskop selbst gebaut und möchte Astronautin werden. Sergio fördert nicht nur sie, sondern möglichst alle – gegen Widerstände des Kollegiums und Familienangehörige. Allein Schulleiter Cucho (Daniel Haddad) schlägt sich auf seine Seite. Doch ein tragischer Vorfall wirft Sergio aus der Bahn. Er will aufgeben, bis die Schüler, die Freude und Begeisterung am Lernen gelernt haben, ihn quasi «animieren» …

Christopher Zallas Sozialdrama, auf tatsächlichen Ereignissen beruhend, ist kein Märchen oder Wunschtraum, auch wenn es den Anschein macht. Es bildet ein Stück harscher Wirklichkeit nicht nur der mexikanischen Gesellschaft ab. Die Kinderdarsteller sind echt, heisst wurden quasi von der Strasse oder aus dem Klassenzimmer engagiert. «Radical», am Sundance und am Zurich Film Festival gefeiert, ist authentisch, geht nicht nur spezifisch mexikanische Probleme an, sondern hat Allgemeingültigkeit. Natürlich geht es um die Frage ‚Wie sag ich’s meinem Kinde?‘, aber auch um soziale Risse, Korruption und Gewalt. Der Film ist schockierend, ermutigend und inspirierend zugleich sowie Plädoyer für Verständnis, Kreativität, Freiraum und Liebe zu Kindern. «Radical» ist schon, wie der deutsche Titel sagt: «Eine Klasse für sich».


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USA 2023
127 Minuten

Buch und Regie: Christopher Zalla
Kamera: Mateo Londoño

Mitwirkende: Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo, Mia Fernanda Solis


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