Polish Prayers

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Protestbewegung: Antek hat sich einer katholischen Bruderschaft angeschlossen und demonstriert gegen Homosexuelle und Päderasten. (Prosa Film/First Hand Film)



Polnische Bewegungen


Der internationale Titel «Polish Prayers» und der deutsche «Der rechte Weg» haben tiefere Bedeutung. Der junge Pole Antek sucht seinen Weg – von konservativ rechts bis zur individuellen Freiheit, von Gott bis gottlos. Dabei wird gebetet, gesungen, werden nationale Gefühle gefeiert, es wird aber auch protestiert, gekifft, gerungen. Alles beginnt im Juli, führt über verschiedene Monate zur Fastenzeit, zum Advent und zur Jetztzeit. Wir sehen, wie acht junge Männer im Wald ein Kreuz in einen Baumstamm ritzen, eine «Brücke» bauen, singen und sich als «Soldaten Marias» fühlen. Einer von ihnen ist Antek, ein adretter junger Mann mit Kurzhaarschnitt. Bei einem Waldgespräch mit seinem Vater (September) legt er dar, wieso er mit der katholischen Bruderschaft an einem Protestzug gegen Homosexuelle und Päderasten teilnimmt. Im November ist er mit Weronika befreundet, man kommt sich näher. Die beiden bleiben unter sich, die Kamera draussen.

In der Fastenzeit ist er noch immer von seinem Engagement überzeugt, die Leute «näher zu Gott zu bringen». Doch dann erfahren wir, dass die Liebesbeziehung mit Weronika im März zu Ende gegangen ist. Monate später hat sich eine Wandlung vollzogen. Antek hat sich von der Bruderschaft, der Kirche abgewandt, ist radikal abgebogen. Er trinkt, kifft, entwickelt homosexuelle Neigungen (lackiert Fingernägel) und erklärt sich als Atheist. Er schlingert durchs Leben. Erst durch Gespräche mit seiner Mutter («sie ist stark und beharrlich») gewinnt er eine gewisse Selbsterkenntnis. Wohin ihn sein Weg führt, lässt der Film offen …

Die Filmerin Hanka Nobis weiss, dass Antek nun «in einer exklusiven engen Beziehung» lebt. Seine Freundin wollte nicht vor die Kamera, das bedeutete das Ende der Dreharbeiten. Zu den «Darstellern» konnte Nobis ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Es dauerte, bis die Jungs kooperierten. «Es wurde sehr privat, unabhängig vom Ort», blickt Hanka Nobis zurück. «Einige von ihnen begannen sogar, mehr mit mir zu reden, als ich Vertrauen und Respekt für meine Arbeit gewann.» So entstand ein Bild über eine gespaltene Gesellschaft und über eine polnische Jugend, die auch für neue politische Verhältnisse bei den letzten Wahlen gesorgt hat. Hier kündigt sich bereits dieser Trend an.

Nobis hofft auf Impulse. «Ich sehe den Film wie eine Flüssigkeit, die durch die Ritze eines Steins fliesst.» Filmisch gesehen, ist dieser Dokumentarfilm konservativ und einfach strukturiert, will offen sein und keinem «weh» tun. Interessant, aber er verlangt dem Zuschauer auch einige Geduld ab. «Polish Prayers» wurde just mit dem Zürcher Filmpreis ausgezeichnet. Begründung der Jury: «Der Debütfim zeigt anhand der Entwicklung seines jungen Protagonisten eindrücklich auf, dass die jahrelange Polarisierung der politischen Landschaft in Polen zu einer Spaltung in der Gesellschaft führt.»



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Polen/Schweiz 2022
84 Minuten

Regie: Hanka Nobis
Buch: Nobis, Esther van Messel
Kamera: Miłosz Kasiura


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