Jeanne du Barry

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Pomp, Popanz und höfisches Potenzial: Alle Augen sind auf König Ludwig XV. (Johnny Depp) gerichtet. Sie stieg zur Mätresse des Königs Ludwig XV. auf: Jeanne du Barry (Maïwenn). (Frenetic Films)



Eine Frau von Königs Gnaden


Sie hat die Phantasie beflügelt (vor allem männliche), lieferte Stoff für eine Operette («Gräfin Dubarry» von Karl Millöcker, 1879), für das Musical «Du Barry Was a Lady» von Cole Porter (1939) und dessen Verfilmung 1943 mit Gene Kelly, für einen Stummfilm (1919) mit Pola Negri und für weitere Filme beispielsweise von William Dieterle (1934) mit Dolores del Rio oder «Die Dubarry»1954) mit Martine Carol. Das Mädchen vom Land, das zur Mätresse am Hofe König Ludwigs XV. aufstieg, war Vorlage einer Reihe von Büchern, historischen, romantischen und erotischen. Sie übertrumpfte so gesehen ihre Vorgängerin Madame de Pompadour (1721-1764) bei weitem, die in der Geschichte eine einflussreiche Rolle am Hofe König Ludwigs XV. spielte.

Was bewog die Französin Maïwenn (Le Besco), die auch das Drehbuch (mit)verfasste, sich dieser historischen Figur zu widmen? «Jeanne du Barry zieht mich in ihren Bann, weil sie eine wunderbare Verliererin ist. Vielleicht, weil ihr Leben Ähnlichkeiten mit meinem aufweist, aber das ist nicht der einzige Grund. Ich verliebte mich in sie und in die damalige Zeit.» Diese Zeit des 18. Jahrhunderts ist höfisch geprägt – jedenfalls in diesem üppigen Liebesmonument. Wir nehmen am Aufstieg des Mädchens vom Lande teil, das von der Mutter «gemanagt», ihre Reize zu nutzen weiss und mit dem Grafen Du Barry (Melvil Poupaud) liiert wird. Der präsentiert sie König Ludwig XV. (Johnny Depp) quasi als Köder, um selber am Hof an Ansehen zu gewinnen. Der König beisst an, verliebt sich, und die Gräfin du Barry wird seine Geliebte. Der Hofstaat, vor allem Neider aus dem Adel und Verwandtschaft, sind brüskiert. Diese neue Favoritin sei ein Skandal, empört man sich hinter den Fächern. Doch der König zeigt sich majestätisch stur, hält an der Du Barry fest, und die lernt dank eines Sympathisanten, des obersten Kammerdieners La Borde (Benjamin Lavernhe), mit höfischen Etiketten umzugehen und sie zu brechen. Der König hat seinen Spass dran. Doch die Favoritin bewegt sich auf dünnem Eis. Da gibt es gewisse Intrigen, vom Herzog Richelieu (Pierre Richard – genau «der grosse Blonde mit dem schwarzen Schuh») und den neidischen Töchtern des Königs angezettelt. Aber auch der designierte königliche Nachfolger samt dessen vorbestimmte, dazumal 15jährigen Marie-Antoinette (Pauline Pollman), der späteren Königin eben, könnten der Mätresse gefährlich werden. Du Barry versucht, das Wohlwollen des Paares zu gewinnen.

Im Zentrum des Zweistundendramas stehen Titelheldin und die Beziehung des ungleichen Paars, die sich freilich eher in spielerischen Intermezzi denn in Liebesszenen abzeichnet. Sex bleibt aussen vor. Neckisch indes, wie sich König und seine Geliebte über gewisse Verhaltenskodexe lustig machen, etwa beim Rückwärtsgehen (Entengang) vor dem König. Pompöse Inszenierungen im Schloss Versailles, wo man tatsächlich montags an gewissen Orten drehen durfte, wechselten mit Kammerspielszenen, Landpartien mit intimen Begegnungen zwischen der Mätresse und Intimus La Borde (sie gehören zu den dichtesten Intermezzi). Regisseurin und Hauptdarstellerin Maïwenn beeindruckte und überzeugte. Johnny Depp blieb wortkarger Statist, war mehr Ansprechpartner denn Akteur. Er, der in Frankreich lebt, bemühte sich redlich um französisches Flair, und manchmal kam sogar der karibische Pirat durch.

Sicher ist «Jeanne du Barry» ein augenfälliger Kostümfilm mit Glanz und weniger Glorie. Vor allem beschreibt er intim eine Frau, die, als Hure verschrien, sozial aufstieg, abhängig, aber sich auch selbst und ihrem König treu blieb, ein Opfer der Gesellschaft, das sie bis in die Französische Revolution hinein verfolgte. Ein sexuelles Geschöpf seiner Zeit, ausgesetzt, ausgebeutet und letztlich ausgespuckt. Mehr als ein Historienfilm oder tragische Romanze: ein komplexer Frauenfilm über Abhängigkeiten und Gleichberechtigung.
 


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Frankreich 2023  
116 Minuten

Regie: Maïwenn
Buch: Maïwenn, Teddy Lussi-Modeste, Nicolas Livecchi
Kamera: Laurent Dailland

Mitwirkende: Maïwenn, Johnny Depp, Benjamin Lavernhe, Pierre Richard, Melvil Poupard,


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