Io Capitano

20240111_Io Capitano_003jpg

Karawane ins Ungewisse: Seydou (Seydou Sarr) und Moussa (Moustapha Fall) wagen die Flucht nach Europa. (Pathé Films)



Höllische Odyssee der Hoffenden


Trotz aller Warnungen machen sich die Cousins Seydou (Seydou Sarr) und Moussa (Moustapha Fall) auf eine Reise ins Ungewisse. Sie träumen von einem besseren Leben in Italien und hoffen auf eine Musikkarriere in Europa. In ihrer Heimat Senegal sehen sie keine Zukunft. Mit dem mühsam erarbeiteten und ersparten Geld brechen die beiden Teenager von Dakar auf – mit dem Bus nach Mali, werden von skrupellosen Schleusern ausgenommen, überleben den mörderischen Marsch durch die Sahara und geraten in die Hände libyscher Mafia-Soldaten. Sie sind in einem Internierungslager Willkür, Druck und Folter ausgesetzt. Sie werden getrennt. Der sechzehnjährige Seydou hat Glück, ein älterer Flüchtling «heuert» den Burschen als Maurergehilfen für einen Brunnenbau an. Der lybische Stammesfürst, der sie «gekauft» hat, verspricht ihnen, die Reise nach Tripolis zu bezahlen, wenn ihn ihre Arbeit überzeugt. Und er hält sein Versprechen. Doch die Odyssee ist für Seydou noch nicht zu Ende. Er, der ahnungslose und mittellose «Passagier», soll das Kommando über einen maroden Kutter übernehmen, der sie übers Mittelmer nach Italien schippern soll …

Immer wieder liest oder hört man Zahlen von Flüchtlingen, die auf ihrem Seeweg nach Europa um- oder angekommen sind. Dahinter verbergen sich Schicksale wie das von Seydou und Moussa, beide übrigens von Laien verkörpert. Regisseur Matteo Garrone («Gomorra») wechselt die Perspektive und schildert eine moderne, höllische Odyssee aus der Sicht eines Teenagers. «Wir haben mit Menschen gedreht, die selbst in den Folterkellern der libyschen Mafia misshandelt wurden und gezwungen waren, die Sahara zu Fuss zu durchqueren», beschreibt Garrone in einem Interview seine Intentionen. «Meine einzige Sorge war, dass ich Gefahr laufen könnte, in Stereotypen zu verfallen.» Sein Emigrantendrama zeigt durchaus «malerische» Ansichten, die freilich durch die grausamen Begebenheiten und den Horror in der Wüste, im Lager, auf dem Meer relativiert und unterlaufen werden. «Io Capitano» ist ein menschliches Drama von heute, das niemanden kaltlässt und 2023 am Filmfestival von Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde.


4_Star_Lionjpg

Italien, Belgien 2023
121 Minuten

Regie: Matteo Garrone
Buch. Garrone, Massimo Gaudioso, Massimo Ceccherine, Andrea Tagliaferri
Kamera: Paolo Carnera

Mitwirkende: Seydou Sarr, Moustapha Fall, Issaka Sawagodo, Hichem Yacoubi, Doodou Sagna


Zurück