Bergfahrt

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Der Berg lebt: Audiokünstler Claudio Landolt belauscht den Vorder Glärnisch. (cineworx)


Bergen den Puls gefühlt


Zum Interview mit Dominique Margot

Sie türmen sich mächtig auf, faszinieren, locken, sind Heimat und werden bisweilen zur Bedrohung: Berge. Diese massiven «Riesen» scheinen nicht nur unübersehbare Ungetüme, Orte sagenhafter Geschichten, sie sind auch Herausforderung, Heimat und wichtige Sensoren der Erde. Manchen bieten sie Plattform für Events, für sportliche Spektakel und Vergnügungen, werden Kulisse und Schauplatz von Ereignissen, die Tausende anlocken – beim Skiweltcup beispielsweise. Doch um Events, um Massentourismus, Besiedlung und Zersiedlung im alpinen Raum geht es nicht im Dokumentarfilm «Bergfahrt» von Dominique Margot nicht. Sie ist Bergen im alpinen Raum regelrecht zu Leibe gerückt und hat festgestellt, dass der Berg lebt, reagiert, sich bewegt, und verändern kann. Davon erzählen Bergversteher, Bergkenner, Forscher und Landschaftspfleger.

Luigi Oreiller, der 86-jährige Mann aus dem Aostatal, ist mit den Bergen aufgewachsen. Er weiss, dass der Berg lebt und warnt. Er sei höflich erzogen und klopfe beim Berg an, bevor er einträte, erzählt der Bergfreund. «Wenn es dem Berg nicht gefällt, sendet der Zeichen vielleicht in Form von ein, zwei Steinchen als Warnung. Wenn man das nicht erkennt, passiert etwas.» Dem Freund der Bergsteigerin Carla Jaggi ist es wohl so ergangen, er ist an der Eiger-Nordwand abgestürzt. Sie will trotzdem mit einem Gefährten den Eiger besteigen. Der Berg hätte ja keine Schuld gehabt, meint sie. Andere «Bergler» kommen zu Wort. Luc Moreau erforscht den Argentière Gletscher im Mont-Blance-Massiv. Der Informatiker und Bergführer Jan Beutel fühlt dem Matterhorn quasi den Puls. Audiokünstler Claudio Landolt lauscht den Vorder Glärnisch förmlich ab. Er möchte den Berg «dekonstruiere». Die Botanikerin Erika Hiltbrunner versucht, dem Geheimnis alpiner Pflanzen auf die Schliche zu kommen. Die Japanerin Chiharu Mamiya nähert sich dem Berg künstlerisch spirituell, sie singt, tanzt, wird zur Geistergestalt.

Dominique Margot «Bergfahrt» verspricht eine «Reise zu den Riesen» und zeigt weit mehr, nämlich die Majestät der Erde in Gestalt der Bergriesen. Sie hätten eine «kosmische Heilungsintelligenz», meint der Geomant Jörg-Michael Janke. Die Bilanz: «Wir sind synchron mit der Erde. Sie braucht uns nicht, wir brauchen die Erde.» Wer mag es, da der Filmerin, die sich auf den Alpenraum konzentriert, verargen, dass sie die Auswüchse, sprich die Berge als Plattform für Events, Sport und Tourismus, eher nebenbei berührt. Naturschutz und Heimatschutz schwingen gleichwohl mit.

Kein Film also mit dem moralischen Zeigefinger, aber einer, der Bergen Respekt zollt und mehr für Naturverständnis und Umweltbewusstsein tut als viele Parolen, Aktionen und Manifeste. Dominique Margots «Reise zu den Riesen» dringt tief in die alpine Bergwelt. Forscher, Bergfreunde und Bergversteher rücken die «Riesen» in ein anderes Licht. Eine «Bergfahrt», die Eindruck macht – nachhaltig. Ihr Dokumentarfilm zollt Bergen Respekt und zeigt, dass der Mensch nicht das Mass aller Dinge ist.


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Schweiz 2024
97 Minuten

Buch und Regie: Dominique Margot
Kamera: Guy Fässler, Pascal Reinmann

Mitwirkende: Chiharu Mamiya, Luc Moreau, Carla Jaggi, Claudio Landolt, Erika Hiltbrunner, Jörg-Michael Janke, Luigi Oreiller, Jan Beutel


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