Männer im Ring

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Eine politische Idylle: In Hundwil (AR) fand 1989 die entscheidende Abstimmung über das (kantonale) Stimmrecht statt. Nicht jede Frau war für das Stimmrecht. Eine Ladenbesitzerin fürchtet um liebgewonnene Traditionen.(Langjahr-Film)



Kein Tag wie jeder andere


Ein denkwürdiger Tag in Appenzell Ausserrhoden: 1989 fand in Hundwil die entscheidende Männer-Landsgemeinde ums Frauenstimmrecht statt. Der Innerschweizer Filmer Erich Langjahr hat dieses Ereignis festgehalten. Sein Film dokumentiert unaufgeregt, sachlich und einfühlsam …

Man blende zurück: Vor bald 50 Jahren (1971) wurde Frauen in der Schweiz das Wahl- und Stimmrecht auf nationaler Ebene zugebilligt. Doch einige Kantone hinkten hinterher. Nicht die ganze Welt, aber die Eidgenossenschaft blickte 1989 auf die Gemeinde Hundwil in Appenzell Ausserrhoden. An jenem letzten Sonntag im April versammelten sich die wahlberechtigten, säbelbewehrten «Männer im Ring», um über das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene abzustimmen. Manche Mannsbilder waren wie einige Frauen die Meinung, dass man einen schönen Brauch, diesen speziellen «Vatertag» aufgeben würde, wenn… «Eine Landsgemeinde ist einfach schön», sinniert eine Appenzellerin am Bügelbrett. «Wenn das Frauenstimmrecht kommt, ist es nicht mehr dasselbe.» Manche, Frauen wie Männer, hingen an der Tradition, am Brauchtum und wollten das stimmige Ritual demokratischen Lebens bewahren.

Der Innerschweizer Filmer Erich Langjahr hört sich um, hat Auge und Ohr für die Befindlichkeiten der Betroffenen. Ein Alt-Landweibel erinnert sich, ein Schreiner macht seinem Ärger Luft, gibt seinen Säbel, Zeichen der Männlichkeit und Wahlberechtigung, weg, besinnt sich aber und «poschtet» gleich zwei neue. «Männer im Ring» – der einfühlsame Heimatfilm lässt sich Zeit, vertieft sich in der Landschaft, verharrt am Dorfplatz, der für das Medienereignis hergerichtet, dort wo der «Stuhl», heisst die Bühne für die Regierungsräte und Landweibel gezimmert wird.

Über Tradition und Moderne, sprich Gleichberechtigung, soll abgestimmt werden. Dann kommt der Moment der Wahrheit (nach einer Kinostunde): Die Hände im Ring erheben sich. Ist es wirklich ein klares Mehr? Die Regierung entscheidet: Angenommen. Die Männerdiskussion wird weitergeführt in der Hundwiler Beiz «Harmonie». Fake? Ist alles mit rechten Dingen sprich Händen zugegangen? Erich Langjahr ist ein anteilnehmender, geduldiger Beobachter, der nicht kommentiert oder interpretiert. Die Bilder, die Aussagen sprechen für sich. Der Film, sein persönliches Geschenk an den 700. Geburtstag der Eidgenossenschaft, spiegelt ein Stück gelebter Demokratie wieder: eine Reflexion auch über Eigenart, Bewahren althergebrachter Ordnung und Öffnung. Natürlich weht dabei ein Hauch Nostalgie mit, und doch wirkt dieses stimmungsvolle Zeugnis aktuell und erfrischend wie vor 30 Jahren.

Mit «Männer im Ring» vollendet Langjahr seine Schweizer Trilogie, die mit «Morgarten findet statt» 1978 begann und mit «Ex Voto» 1986 fortgesetzt wurde. Zur Ergänzung: Die Landsgemeinde Appenzell Ausserrhoden wurde 1997 abgeschafft. In der Schweiz werden noch zwei Landgemeinden durchgeführt, in den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Glarus.


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Schweiz 1990  
73 Minuten

Buch und Regie: Erich Langjahr
Kamera: Langjahr, Otmar Schmid, André Simmen

Mitwirkende: Klara Knecht (Dorfladen), Annie und Franz Schüle («Harmonie»), Fridolin Ecknauer, Walter Bruderer (Schreiner), Ruedi Stuber (Kunstmaler), Edwin Gantenbein (Maler), Kurt Brunke (Reiniger), Antoinette Müller (Mercerie), Hans Rohner (Alt-Landweibel), Peter Müller/Rita Vracko (Konditorei Müller) u.a.


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