Kühe auf dem Dach

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Mit den Tieren auf Augenhöhe: Eva und Lebensgefährte Fabiano schlagen sich auf der Alpe d'Arena im Tessin durch. (First Hand Films)



Ende der Idylle


Die Idylle trügt. Das Aussteigerleben auf einer Alp im Onsernonetal ist entbehrungsreich. Fabiano und Eva mühen sich auf rund 1700 Metern mit ihren Ziegen, Schweinen und Kühen ab, produzieren Käse und kommen mehr schlecht als recht über die Runden. Der Luzerner Aldo Gugolz hat zweieinhalb Jahre das Alpleben mit der Kamera «observiert». Im Mittelpunkt stehen der Alphirt Fabiano Rauber und seine Gefährtin Eva. Ihr karger Alltag erfährt eine neue Dimension, als ein Bein, später ein Leichnam gefunden wird. Der Tote ist der Mazedonier Nicolas, den Fabiano auf der Alp beschäftigt hat – als Schwarzarbeiter. Der wollte seinen Lohn auf ein Konto einzahlen im Tal und verschwand spurlos. Fabiano gerät in ein schlechtes Licht. Was wusste er, warum hat er das Verschwinden nicht gemeldet …?

So erhält der Dokumentarfilm von Aldo Gugolz einen kriminalistischen Beigeschmack. Doch diese Nebengeschichte bleibt eine (ungelöste) Randerscheinung. Im Kern geht es dem Dokumentarfilmer Gugolz («Rue de Blamage», das Porträt einer Luzerner Strasse) um Aussenseiter und Aussteiger, die einen anderen Lebensentwurf verwirklichen wollen. Er seziert die vermeintliche Idylle und dokumentiert die harte Wirklichkeit. Dazu gehört auch, dass Fabiano und seine Frau kaum mehr als 12 Franken für ein Kilo Käse erwirtschaften können. Das rechnet sich nicht.

Fabiano ist der Nachkomme von Aussteigern, er versucht die Hippietradition fortzusetzen und wird mit einer Zeit konfrontiert, die dafür keine lebensfähige Existenz bietet. Fabiano wird von Alpträumen verfolgt, da ist einerseits der tote Mazedonier, andererseits sein (unbekannter) Mörder, der sich in dieser Regionen herumgetrieben haben muss. Zudem steigen ihm die Kühe quasi aufs Dach oder besser wachsen ihm über den Kopf. Der Titel «Kühe auf dem Dach» («Anche stanotte le mucche danzeranno sul tetto» – so die italienische Variante), bezieht sich darauf: «Auch heute Nacht werden die Kühe auf dem Dach tanzen» und abstürzen. Die Alpwirtschaft ist nicht mehr profitabel. Gugolz' Film vom ursprünglichen Leben, dem die wirtschaftliche Basis wegbricht, ist ein handfester Heimatfilm, fern von Idylle und heiler Welt. Ein anderes ehrliches Zeitbild.


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Schweiz 2020    
82 Minuten

Buch und Regie: Aldo Gugolz
Kamera: Susanne Schüle

Mitwirkende: Fabiano Rauber, Eva Clivio, Santino Rauber, Philippe Rauber, Dominik Studer,


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