Ich habe in Moll geträumt

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Der Schweizer Walter Rufer lebte zwölf Jahre in München (1954 bis 1966) und konnte nur ein Büchlein publizieren, sein Schwabinger Tagebuch «Der Himmel ist blau. Ich auch». (Sihlfeld Film)



Literarische Ansprüche und Scheitern


Siehe auch Interview mit Ueli Meier

Im Anfang war ein schmales Tagebuch, das der Schweizer Walter Rufer 1963 in München veröffentlicht hatte: «Der Himmel ist blau. Ich auch». Buch wie Autor gerieten in Vergessenheit. Zufällig stiessen die beiden Münchner Musiker der Country Trash Band «Dos Hermanos» auf Rufers Gedichte. Andreas Staebler und Jörg Wizigmann bauten Rufers Tagesnotizen und Weisheiten in ihre Konzerte ein, lasen Sentenzen vor und initiierten 2007 eine Neuauflage. Der Zürcher Filmer Ueli Meier wurde auf den vergessenen Autor aufmerksam, der bereits 1975 verstorben war, und begab sich auf Spurensuche. Zuerst sprach er mit Rufers Ehefrau Margrit, später mit seinen Kindern Urs und Sara. Er befragte Wegbegleiter, Zeitgenossen, fügte Aufnahmen von den Musikern Dos Hermanos ein und liess den Schauspieler Thomas Sarbacher – ein Glücksfall – Tagebuchpassagen rezitieren: wie «6. Januar. Der gestrige Tag fand leider nicht statt, weil ihn ein Tagedieb gestohlen hat» oder «2. August. Gestern hat einer die Zeche geprellt, das heisst: er bezahlte mit Fersengeld.» oder «15. September. Odeonsplatz: Tauben gurren, Grantler murren, eine Magd aus Kirchseeon fragt nach Herrn Odeon. Der Himmel ist blau. Ich auch.»

Hinter dem melancholischen Filmtitel «Ich habe in Moll geträumt» verbirgt sich eine feine Hommage an verdichtete Dichtung und einen vergessenen, verschollenen Dichter: ein packendes Dokument über Verlust und Verlorenheit, Kunst und Leben. Ueli Meier bietet kein beliebiges Biopic, sondern beschreibt einfühlsam und liebevoll das trauriges Scheitern eines Mannes, der mehr wollte als er konnte, ein Doppelleben führte und im Alkohol ertrank.

Menschen, die ihn während seiner Münchner Zeit kannten, teilweise begleiteten oder in der Familie erlebten, erinnern sich, wie seine Frau in der Schweiz, Margrit, seine Kinder Urs und Sara Rufer. Und dann macht Meier eine Entdeckung – in München, die hier nicht verraten werden soll. Vor allem gibt der Filmer Rufers Gedichten Raum. Worte sagen hier so viel wie Bilder. «Ich habe in Moll geträumt» ist eine doppelte Entdeckung – eines vergessenen Autors und seiner spärlichen Hinterlassenschaft (er schrieb zwar rund ein Dutzend Theaterstücke, die aber keine Abnehmer fanden) und eines Menschen, der aus kleinbürgerlichem Milieu ausbrach, sich als Bohèmien verstand, aber an seinen eigenen Ansprüchen ertrank.

Das Büchlein Walter Rufer «Der Himmel ist blau. Ich auch» ist beim Blumenbar Verlag, München greifbar. Seine Schwabinger Tagbücher ziehen sich über fünf Jahre und bieten 139 Eintragungen. Die Illustrationen stammen von der Filmdesignerin Maleen Pacha. Das Buch ist ausgestattet mit einer CD von «Dos Hermanos» mit Lesungen und Musik. Preis: 15 Euro.


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Schweiz 2021  
78 Minuten

Buch und Regie: Ueli Meier
Kamera: Ueli Meier

Mitwirkende: Margrit Rufer, Urs und Sara Rufer, Günter Gallas, Gabriella Lorenz, Margrith Schaub, Dos Hermanos, Thomas Sarbacher


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