Harald Naegeli – Der Sprayer von Zürich

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Harald Naegeli (82), «Pionier der Street Art», ist aus dem Düsseldorf Exil heimgekehrt und kein bisschen «ziviler» und gehorsamer. (Filmcoopi)



Kleckserei oder Kunst –
verehrt oder verteufelt?


Künstler oder Straftäter? Seit über vierzig Jahren erregen seine Spray-Zeichnungen öffentliches Ärgernis oder ernten Anerkennung. Harald Naegeli wurde als «Sprayer von Zürich» bekannt und verteufelt. Nathalie David ist seinen Spuren, Taten und Werken gefolgt. Es sei ein Schelm, der sich Böses dabei denkt, sagt eine Spruchweisheit. Nein, Schelme sind sie nicht die Diener der Obrigkeit, nicht die Staatsanwaltschaft und ausführende Organe. Aber Böses haben sie sich wohl dabei gedacht, als sie Harald Naegeli, den Sprayer von Zürich, verfolgten und kriminalisierten. Künstler, Rebell, Quertreiber, Provokateur, Humorist oder Gesetzesbrecher? Oder alles zusammen und obendrein noch Schelm?

In ihrem Film ist Nathalie David Naegelis Spuren gefolgt, dokumentiert Spray-Zeichnungen an Wänden, Mauern und andere künstlerische Arbeiten. Sie hat ihn an Wirkungsstätten begleitet, hat an «Tatorten» wie dem Zürcher Grossmünster gefilmt, hat ihn, Beobachter und Begleiter befragt.

Wir lernen einen sanften Weisen, einen charismatischen Protestler kennen, der Ende der Siebzigerjahre als «Sprayer von Zürich» weltbekannt wurde. Die Zürcher Justizbehörden warfen ihm illegale und böswillige Sachbeschädigung vor, der anonyme Sprayer wurde bei einer nächtlichen Aktion gefasst, 1981 zu neun Monaten Haft verurteilt. Geflohen, gefasst, in den Knast gesteckt. Eben: Ein Schelm, der sich Böses dabei denkt. Es musste ja Recht und Ordnung in der Zwingli-Stadt herrschen. Viele Persönlichkeiten von Willy Brandt bis Joseph Beys haben sich für ihn eingesetzt – vergebens.

Seine Zeichnungen wurden entfernt, verteufelt, aber auch gefeiert. Heute wird er als Graffiti-Künstler anerkannt, auch in seiner Heimatstadt Zürich, wenngleich die Wiedergutmachung und Anerkennung von Behörden nur halbherzig scheint. Der «Totentanz», einer seiner bekannten Werke, wurde entfernt, dann durfte er ihn im Grossmünster erneuern, doch das Unternehmen scheiterte aus Platzgründen.

Die Französin Nathalie David schuf ein wohlwollendes Porträt des unbequemen Künstlers, ging auch der Frage nach Kunst und Vergehen, Legitimation und Verurteilung nach. Warum hat eigentlich kein filmschaffender Schweizer das Naegeli-Themen aufgegriffen und vertieft?

Naegeli, bald 82 Jahre alt, Schweizer Pionier der Street Art, hat sein Werk von den Graffiti bis Zeichnungen und Keramikarbeiten abgeschlossen. Im Zusammenhang mit dem «Totentanz» nach dem Tod befragt, antwortete er gelassen: «Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber vor dem Sterben.» Ein Statement, so gelassen und doch tiefgreifend wie der Film.



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Schweiz 2021  
99 Minuten

Buch und Regie: Nathalie David
Kamera: David, Adrian Stähli
Mitwirkende: Harald Naegeli


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