Eden für jeden

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«Nelly for President»: Die Busfahrerin (Steffi Friis) mit studentischen Ambitionen soll das Zepter in einem Zürcher Schrebergarten übernehmen. (Ascot Elite)



Gesellschaft auf dem Grill –
von Knatsch bis Kuscheln


Sie fegt wie ein Sturmwind durch die Schrebergartenidylle, pardon in der Schweiz Familiengarten genannt. Die kesse Busfahrerin Nelly (Steffi Friis) und Studentin mit Velodrall kümmert sich redlich um ihre Grossmutter Rosmarie (Heidi Diggelmann). Doch nun hat sie ein Problem, ihr wurde die Wohnung gekündigt. Nun sucht sie eine Bleibe für sich und die leicht demente alte Dame. Da kommt ihr Grossmutters Schrebergarten in den Sinn, und flugs ziehen die beiden in die urbane Idylle. Der Präsident der Multikultigesellschaft im Grünen, Franco (Pablo Aguilar), freilich mokiert sich nicht nur ums Velofahren im Areal, sondern weist harsch darauf hin, dass die Gartenordnung Übernachten, ja Wohnen erst recht, verbietet. Und so liefert sich die kesse Nelly einen kleinbürgerlichen Kleinkrieg mit «Il Presidente», der in einer turbulenten GV und in Neuwahlen mündet. Pablo weigert sich, das Reglement Übernachten zu ändern, und hält nichts von einem Grillprojekt für alle.

Es kommt zum regelrechten Wahlkampf in der Idylle. Nelly weiss ihre Grossmutter und natürlich auch den musikalischen Nachbarn mit brasilianischen Wurzeln, Paolo (Marc Sway), auf ihrer Seite. Ihre Tante Hanni (Suly Röthlisberger) indes ergreift die Opposition – vorläufig. Als dann noch Nellys ausgebüxter Vater Albert (Andreas Matti), der im Burgund Reben pflegt, auftaucht, wird mancher Familienstrauss gefochten und kommt ein beziehungsreiches Geheimnis an den Tag.

Komödienkenner Rolf Lyssy (siehe grosses Interview) und sein bewährter Autor Dominik Bernet liessen sich von Mano Khalils Dokumentarfilm «Unser Garten Eden» (2010) inspirieren und schufen eine neckisch nette Gartenkomödie («Jedem siis Gärtli»), die auf schönstem menschlichen Mist gewachsen ist und nicht nur schelmisch Vereinsmeierei und Nachbarschaftsklüngel auf die Schippe nimmt, sondern auch sympathisch liebenswürdig unterhält. Ein leichtes Sommervergnügen, bei dem die Solothurnerin Steffi Friis wie eine Sonnenblume aufgeht – Augenweide und Dynamo. So nebenbei schafft sie die Kontroverse um einen Gemeinschaftsgrill aus der Welt, bei dem Lamm und Schwein friedlich nebeneinander brutzeln können – von wegen muslimischer und westlicher Essgebote. Sänger Marc Sway steuert musikalische Samba-Sidelights bei und ist ein stimmiger Partner der Kandidatin für den Vereinsvorsitz.

Wer aufmerksam hinschaut, kann Fredi M. Murer für einen winzigen Moment als Schrebergartengast entdecken und Rolf Lyssy als Plakatträger «Nelly for President». Gedreht wurde übrigens im Zürcher Familiengärtenareal Aussersihl. Die Kamera führte nicht zum ersten Mal Lyssys Sohn Elia. In einer Schlusseinstellung sieht man in unmittelbarer Nachbarbarschaft auch den Friedhof Sihlfeld. Ein Schelm, der sich etwas dabei denkt.

Wer meint, in dieser luftigen Gartenkomödie wimmelt es von Klischees – vom kleinkarierten Präsidenten bis zum Latino-Sonnyboy, so kann man dem durchaus zustimmen. Wer die Gartenlauben-Szenerie zwischen Bern, Zürich oder Kreuzlingen ein bisschen kennt, weiss, dass Klischees Realität sind, dass sich hier kleinbürgerliche Geister, rüstige Senioren, Klein- und Grossfamilien, ja auch Partyleute ein Stelldichein geben – ein Minikosmos zwischen Obst, Gemüse, Grill und Kompost – ein «normales» Leben eben im Grünen.


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Schweiz 2020  
90 Minuten

Regie: Rolf Lyssy
Buch: Lyssy, Dominik Bernet
Kamera: Elia Lyssy

Darsteller: Steffi Friis, Heidi Diggelmann, Andreas Matti, Marc Sway, Pablo Aguilar, Antonio Da Silva, Suly Röthlisberger


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