Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit

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Ein Spaziergang zwischen Literatur und Wahrheit, sprich Realität: Martin Suter gefällt sich als Reiseleiter in einem Autorenporträt. (DCM)

 

Spaziergang – zwischen den Zeilen und Bildern

 
Der Zürcher Martin Suter (74) hatte bereits eine Erfolgskarriere als Werber hinter sich, als er 1991 zum Griffel griff, sprich Autor wurde. Zuerst als Kolumnist («Business Class»), dann ab 1997 als Schriftsteller («Small World». Nun hat ihm der Deutsche André Schäfer einen fiktionalen Dokumentarfilm gewidmet. Er ist ein Fan des Autors. Das ist nach wenigen Einstellungen unschwer zu erkennen. Wir nehmen am filmischen Spaziergang durch Geschichten und Geschichte teil: Martin Suter (74), einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Schweizer Autoren, ist quasi Gastgeber. Der Titel deutet es spitzbübisch an: Dieser Film ist kein minutiös angelegtes Biopic, kein Porträt der konventionellen Art, kein biographisches Kompendium, sondern ein Vexierspiel im Kosmos des Martin Suter.

Natürlich steckt hinter der Titelfloskel «Ausser die Wahrheit» (Sprachpuritaner würden sie gern in «Ausser der Wahrheit» umschreiben) einige Wahrheit. Man weiss nicht recht, wer wen bei diesen literarischen und biografischen Erkundungen bei der Hand nimmt: der Hauptdarsteller den Filmer oder umgekehrt. Wie auch immer, Herr Suter ist ganz smarter Gentleman, der Einblicke in seine Arbeit, etwa im Studio in Guatemala, gewährt, der in seinem literarischen Garten spaziert. Da tauchen Figuren und Szenen aus Büchern auf. Aber es werden auch Live-Szenen eingestreut und «Weisheiten» ausgetauscht – mit Schreiberling Benjamin von Stuckrad-Barre oder mit Ex-Kicker Bastian Schweinsteiger, Held seines jüngsten Werks. Ergiebiger und stimmiger sind da freilich (zu kurze) Konzertausschnitte mit Stephan Eicher, für den Suter einige Liedertexte verfasst hat.

So pendelt die fiktionale Dokumentation vergnüglich zwischen Tat und Wahrheit, Fiktion und Selbstdarstellung und kommt seinem Titelhelden spielerisch nahe. Man erfährt dies und das, auch über seine Kinder aus Guatemala (sein Sohn kam vor Jahren tragisch zu Tode), weniger über seine Frau, ein paar Sentenzen über Suters Ur-Verleger Daniel Keel (und Ziehvater) und dessen Sohn, dem heutigen Chef beim Diogenes Verlag.

Dabei fallen wegweisende einprägsame Sätze wie «Lügen in Wahrheit verpackt werden glaubwürdiger» und andere sprachliche Bonbons. Dass die kritische Distanz fehlt und der Film den Erfolgsautor in schönstem Licht zeigt und sichtbar huldigt, wird durch wohlfeiles Vergnügen und Verschmitztheit wett gemacht. Man kann sich, wenn man will,  amüsieren wie bei Suters Allmen-Krimis.

Und wenn Vergessen beim Erinnern hilft, wie es einmal heisst, dann ist der Rückgriff auf seine Romanen, etwa zu «Lila, Lila» oder «Die dunkle Seite des Monds», sicher ein Gewinn, auch wenn die Wahrheit eine Fiktion bleibt.


 
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Schweiz 2022    
90  Minuten

Buch und Regie: André Schäfer
Kamera: Andi Widmer

Mitwirkende: Martin Suter, Stephan Eicher, Benjamin von Stuckrad-Barre, Philipp Keel, Bastian Schweinsteiger
 

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